Flyers & Folders
2001, Ostfildern-Ruit, Städtische Galerie im Rathaus Ruit



Einladungskarte


Falters Leid ist Künstlers Freud´

Aus: Filderwoche, 14. März 2001

Ostfildern - "Man kann die Arbeiten betrachten als einen poetischen Umgang mit dem Schicksal eines in den Boden getretenen Falters," beschreibt die Künstlerin Sibylle Ritter ihre Ausstellung in der Städtischen Galerie im Rathaus Ruit.

In der Inszenierung, die Sibylle Ritter in mehreren Monaten für die Räume der Städtischen Galerie schuf, beschäftigt sie sich mit dem Motiv Falter in zahlreichen Variationen: Schmetterlinge und Insekten in Siebdrucken, als Silhouetten in Bleistift auf Holz, auf Stoffbahnen, auf sandgestrahlten Glasscheiben, aber auch - irritierend und funktionierend - Falter aus Beton oder als tiefe Eindrücke in Betonplatten.
Die Arbeiten sind Teil einer Geschichte. Die zur Eröffnung der Ausstellung von Annegret Müller gelesen und von der Künstlerin in einer kurzen Performance dargestellt wurde: Die "Ergründende", Alter Ego der Künstlerin und als Körperabguss aus Gips in der Ausstellung präsent, löst sich aus ihrer ' Bodenhaftung ' und macht sich auf den Weg, tritt aber schon nach wenigen Schritten auf einen Falter. Durch diesen ´tragischen Tritt´ wird das Tier, "eigentlich sowieso schon fast zweidimensional", so Ritter, noch flacher, flugunfähig und der Fähigkeit beraubt, sich zu verwandeln. Jedoch wird der Falter aufgelesen und von Künstlerhand verwandelt. So taucht er als Motiv in der Ausstellung ' Flyers & Folders - eine Frühjahrskollektion' auf. Die englischen Begriffe für Flug- und Faltblätter, ' Flyer ' und ' Folder ', verwendet die Künstlerin in ihrer wörtlichen Übersetzung ' Flieger ' und ' Falter ' Wesen, die die Schwerkraft durch ihre Fähigkeit zum Flug überwinden können wie Schmetterlinge und Libellen.
Sibylle Ritter, 1963 in Lindau geboren, hat an der Stuttgarter Kunstakademie bei Prof. Guiseppe Spagnulo freie und angewandte Keramik studiert und Lehraufträge im Bereich Tonskulptur bei verschiedenen Institutionen innegehabt. Sie entwickelte mit turm- und gehäuseähnlichen Plastiken eine klare, architekturnahe Formensprache. Seit einigen Jahren verlagert sich das Schwergewicht ihrer künstlerischen Arbeit vom Material Ton, dem sie sich weiterhin verbunden weiß, auf andere Ausdrucksmittel. Sie beschritt bewusst einen Weg, der vom Einzelwerk hin zur räumliche Inszenierung von Zusammenhängen führt. Nach eigenen Worten begibt sie sich "aus der Eindeutigkeit in die Vielfalt" und greift zu künstlerischen Mitteln, die auch das Wort in geschriebener und gesprochener Form und die darstellende Performance einbeziehen.
Es solle eine sprichwörtlich oberflächliche Ausstellung sein, die den Besucher mit unbeschwerlichen Eindrücken versorge und ihn nicht ins Nachdenken drängen wolle, erklärt die Künstlerin. Die Ausstellung sei bewusst "ästhetisch einwandfrei", betont sie. Der Betrachter sollte sich von der poetischen Schau jedoch nicht täuschen lassen. Hinter der reinen Idylle ist ein abgründiges Thema verborgen: Katastrophen und Glücksfälle lösen sich ab," erläutert Sibylle Ritter. Kunst bedeutet das Schaffen von etwas Neuem, aber gleichzeitig die Zerstörung, zumindest Veränderung von Bestehendem.
Die Ausstellung in der Städtischen Galerie im Rathaus Ruit, Otto-Vatter-Str. 12, ist bis 29. April zu sehen. Zur Ausstellung wird die Serigrafie ' Blind Date mit einem Falter ' als Vorzugsausgabe in einer Auflage von acht Exemplaren und das Objekt ' Folded Flyer ' (Auflage 50 Ex.) angeboten.

Von Nicola Buhl